Sprache auswählen

Rückblick Plattform Fremdplatzierung 2016 – «Gesucht: Kooperation. Zur Zusammenarbeit von platzierenden Stellen, Psychiatrie, Heimen»

Am 19.01.2016 fand die Tagung Plattform Fremdplatzierung zum Thema «Gesucht: Kooperation. Zur Zusammenarbeit von platzierenden Stellen, Psychiatrie, Heimen» im Kulturcasino Bern statt. Über 200 Teilnehmende und sechs Referierende beschäftigten sich damit, wie Kooperationen rund um fremdplatzierte Kinder und Jugendliche beschaffen sein sollten, damit diese sich bestmöglich entwickeln können.

Jean-Paul Gaillard, Psychologe und Dozent für Psychopathologie an der Universität Savoyen, erläuterte in seinem Vortrag die Auswirkungen gesellschaftlicher Änderungsprozesse auf «die heutigen» Kinder und Jugendlichen und die neuen Formen von Kooperation, die sich im erzieherischen Rahmen daraus ergeben sollten. Für Professionelle im Umgang mit Kindern und Jugendlichen in unserer Zeit ergibt sich die Dringlichkeit einer Koproduktion im Geist einer Ethik der gemeinsamen Verantwortung, des Zuhörens und der aktiven Empathie anstatt einer rigiden Autorität, die auf althergebrachten Konzepten von Gehorsam beruht.

Im Vortrag von Diana Wider, Generalsekretärin der KOKES, ging es um multi-, inter- und transdisziplinäre Kooperation und Professionalität zum Wohle fremdplatzierter Kinder und Jugendlicher. Nebst einem soliden Fachwissen in der eigenen Disziplin braucht es strukturell-organisatorische Bedingungen (wie z.B. genügend Ressourcen, klare Aufgaben und Rollen, gemeinsame Ziele), individuelle Bedingungen (z.B. Motivation) und interpersonelle Bedingungen (z.B. gleicher Status, Kommunikation auf Augenhöhe). Der Sozialen Arbeit als Disziplin und Profession kommt hier eine Schlüsselrolle zu, mit Selbstbewusstsein gelingende Kooperationen zu initiieren, um Platzierungen optimal und zum gemeinsam verstandenen Wohl des Kindes zu gestalten.

Prof. Dr. Ute Ziegenhain, von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Ulm, zeigte in ihrem Vortrag eindrücklich auf, wie traumapädagogische Haltungselemente zur Verbesserung der interdisziplinären Kooperation zwischen den beteiligten Systemen beitragen können.

Hélène Beutler, Co-Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, zeigte Kooperationsmodelle der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit der Sozialpädagogik im Bereich der Fremdplatzierung auf. Diese Zusammenarbeitsform ermöglicht den Fachpersonen ein gemeinsames Verständnis zu bilden, innerhalb dessen für ein gemeinsames Ziel zugunsten fremdplatzierter und häufig traumatisierter Kinder gearbeitet werden kann. Die Komplexität des Helfernetzes macht die Beziehungskontinuität in der Betreuung fragil. Die Vulnerabilität der betroffenen Kinder und Jugendlichen erfordert es jedoch, dass die Kooperationen stabil, sicher und strukturiert verlaufen. Erst ein solcher Rahmen öffnet dem Kind oder Heranwachsenden einen Raum, in dem es zum Akteur seines Lebens wird.

Karin Zollinger von der Kinderanwaltschaft Schweiz erläuterte in ihrem Vortrag, warum eine gute Kooperation von Fachpersonen und Eltern und ein gemeinsames Verständnis von Kindeswohl für das betroffene Kind eine grosse Bedeutung hat. Vor, während und nach einer Fremdplatzierung müssen Fachpersonen den Kindern und Jugendlichen eine Kooperationsmöglichkeit bieten, welche eine kindgerechte Information und eine direkte Partizipation beinhaltet. Das übergeordnete Interesse des Kindes bedeutet in Bezug auf die Anordnung einer Massnahme, dass das Interesse des Kindes (im Sinne von Schutz des Kindeswohls) ein vorrangiger Gesichtspunkt bei der Entscheidung ist.

Nach einer Podiumsdiskussion folgte ein kritischer Ausblick: «der Kategorische Kooperativ» in der Kinder- und Jugendhilfe ist laut André Woodtli, Amtschef des Amtes für Jugend und Berufsberatung Zürich, manchmal auch ein Stolperstein. In seinem Referat umriss Woodtli die Möglichkeiten und Grenzen von Kooperation in der Sozialen Arbeit. Dabei unterscheidet er zwischen «blauer» (d.h. standardisierbare, sich wiederholende) und «roter» (dynamischer, kreativer, problemlösender) Kooperationsprozesse. Er hielt ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, mehr kreative, dynamische und mutige «rote Kooperation» in der Kinder- und Jugendhilfe zu wagen, da blaue Kooperation nur in einfachen Fällen gute Hilfe leisten kann, aber in herausfordernden, ungewöhnlichen Situationen selten zu guten Resultaten führt.