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Rückblick Tagung Brunnen 2017 - «Zusammenführen und zusammen führen»

In sozial- und sonderpädagogischen Einrichtungen treffen tagtäglich unterschiedliche Disziplinen aufeinander. Das diesjährige Thema «Zusammenführen und zusammen führen. Pädagogische, interdisziplinäre und organisatorische Ebenen in der Fremdplatzierung» hat den Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Augen geführt, wie das Verständnis der Fachpersonen von den fachlichen Begriffen und Konzepten stark divergiert.

Die Tagung wurde am ersten Tag mit einem philosophischen Einstieg eröffnet. Darin legte Daniela Ritzenthaler die Menschenbilder von Kant bis Conradi dar und setzte sich mit der Frage auseinander, welche Instrumente sich für die Stärkung eines positiven Menschenbildes in der Sozialen Arbeit eignen. Danach zeigte Christian Liesen das Bildungs- und Beziehungsverständnis am Beispiel der Schule als Zwangsgemeinschaft auf.

Im Anschluss daran stellte Peter Schallberger in Frage, ob wir es in der Sozialen Arbeit mit naturgegebenen Spannungsfeldern und Interessenskonflikten zu tun haben, da der Grundauftrag der Sozialen Arbeit und der Sozialpädagogik die (Wieder-)Herstellung der Handlungsfähigkeit der Menschen ist. Seine These unterfütterte er mit den Ergebnissen seiner qualitativen Forschungsarbeit. Er skizzierte dabei zwei Grundmuster «Hilfsparadigma» vs. «Disziplinierungsparadigma» und stellte die in seinem aktuellen Buch ausführlich erläuterten fünf Typen organisationaler Selbstverständnisse in der Heimerziehung dar.

Am zweiten Tag wurde die Diskussion um das Spannungsfeld «Hilfe – Disziplinierung» wieder aufgenommen. Günter Rieger begründete anhand des Governance Konzepts die Verschränkung unterschiedlicher Steuerungsmechanismen und -logiken in der Sozialen Arbeit, eine Praxis, die wir ohnehin in unserer föderalistischen Schweiz zu pflegen versuchen.

In den einzelnen Workshops wurden die unterschiedlichen Regelungen der Zuständigkeiten oder der Platzierungsfinanzierung in den einzelnen Kantonen ganz konkret zum Thema. Es ging dabei um die Bedeutung des «Zusammenführens» für verschiedene Akteurgruppen. Während bei den Kindern und Jugendlichen die Tragfähigkeit der Beziehungen und ein sicherer Ort als zentrale Ziele des «Zusammenführens» festgelegt wurden, standen bei der begleitenden Behörde und der ausführenden Institution die Erwartungs- und Schnittstellenklärung im Vordergrund.

Die HORA-Band zeigte durch seine Darbietung, wie wichtig das aufeinander Eingehen und das reale Zuhören für eine funktionierende Zusammenarbeit ist und wie wichtig es ist, eine Fehlerkultur zu pflegen.

Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich für eines der angebotenen Praxisforen zu entscheiden: zum einen konnte man Einblicke in die Aufarbeitung der Institutionsgeschichte der Stiftung Hirslanden bekommen oder mit dem WiF-Team (Wissenslandschaft Fremdplatzierung) gemeinsam erarbeiten, wer den Fall im Fremdplatzierungsprozess in welchem Moment führt und wie wichtig die Klarheit von Zuordnungen und Verantwortlichkeiten darin ist.

Der letzte Tag begann mit dem faszinierenden und inspirierenden Referat des Dirigenten Gernot Schulz zum Thema „Zusammen-Führen“ am Beispiel eines Orchesters. Mit den Worten «wer Einheit will, muss Sinn geben» erklärte er die zentralen Kriterien der Kunst des Führens einer Gruppe, die wie das Orcherster der Inbegriff von Vielfalt ist. Das Studieren und Erarbeiten von Konzepten auf Papier sei zwar zentral, allerdings – erklärte er ganz eindrücklich – reiche dies alleine nicht aus, denn «Papier ist geduldig, was zählt ist das Ergebnis» und dafür brauche es Vertrauen und die Pflege einer Fehler- und Feedbackkultur.

Mathias Schwabe bot zum Schluss einen Input über die Zusammenarbeit und schlug vor, die Zusammenarbeit und ihr Gelingen nicht allein mit dem Begriff der Kooperation zu fassen, sondern stets die Koordination und die Ko-Kreation mitzudenken, respektive diese drei Begriffe voneinander klar zu unterscheiden. Mit seinen Empfehlungen für eine verbesserte Zusammenarbeit fand die Brunnentagung 2017 ein Ende.
von Sevda Can Günes, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

» Die Broschüre mit den schriftlichen Beiträgen der Tagung Brunnen 2017 erscheint im Februar 2018. Die Teilnehmer erhalten die Broschüre zugeschickt. Alle anderen können die Broschüre hier vorbestellen.
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