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Störung des Sozialverhaltens bei Mädchen

Erste Ergebnisse der FemNAT-Studie zeigen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Von Christina Stadler.

Eine von der Europäischen Union geförderte Studie (siehe www.femNAT-cd.eu) hat die zugrundeliegenden Mechanismen von Störungen des Sozialverhaltens (SSV) bei Mädchen und jungen Frauen (9 bis 18 Jahren) erforscht. Obwohl die Diagnose Störung des Sozialverhaltens häufiger bei Jungen als bei Mädchen vorkommt, zeigen betroffene Mädchen in der Regel eine vergleichbar schwerere Ausprägung hinsichtlich ihrer Aggressivität als Jungen. Zudem weisen Mädchen mit aggressiven und antisozialen Verhaltensweisen im Vergleich zu Jungen ein bedeutend höheres Risiko für Angststörungen, Depression und posttraumatische Belastungsstörungen auf. Dies zeigen erste, noch unveröffentlichte Ergebnisse der femNat-CD-Studie. Befunde, die für die Notwendigkeit von geschlechtsspezifischen Konzepten in der Jugendhilfe sprechen.

Behandlungsoptionen sowie geeignete Massnahmen der Jugendhilfe

Die Häufigkeit, an einer Depression oder Angststörung zu erkranken, liegt bei Mädchen mit einer SSVbei bis zu 70%. Damit ist das Risiko bei ihnen mehr als doppelt so hoch als bei Mädchen ohne eine Aggressionssymptomatik. Das heisst, obwohl SSV bei Mädchen seltener vorkommen als bei Jungen sind Mädchen insbesondere durch zusätzliche psychische Schwierigkeiten stärker beeinträchtigt als Jungen.

Auf der internationalen Konferenz am 26. Januar 2018, an der die Forscherinnen und Forscher ihre ersten Ergebnisse zu neurobiologischen und psychosozialen Mechanismen von Störungen des Sozialverhaltens präsentierten, wurden in der Podiumsdiskussion auch Massnahmen diskutiert, die einem ungünstigen Entwicklungsverlauf entgegenwirken können. Betont wurde, dass sowohl therapeutische als auch pädagogische Behandlungsoptionen auf die spezifischen Risiken von Mädchen und Jungen angepasst werden sollten, auch in der stationären Jugendhilfe. Professorin Sigrid James, eine internationale Expertin zu Fragen der Wirksamkeit von Jugendhilfemassnahmen, machte sich insbesondere für den Ausbau familienähnlich ausgerichteter Institutionen stark. Sie unterstrich auch, dass mittlerweile eine gute Studienlage vorliege, welche Behandlungskonzepte wirksam sind und bei Jugendlichen mit Verhaltensschwierigkeiten positive Entwicklungsverläufe begünstigen. Wünschenswert sei deshalb die weitere Implementierung der als wirksam erwiesenen geschlechtsspezifischen Konzepte in die Jugendhilfe.

» Prof. Dr. phil. Dr. med. Christina Stadler ist Leiterin der Forschungsabteilung der Kinder und Jugendpsychiatrischen Klinik KJPK (der Universitären Psychiatrischen Kliniken UPK) Basel.

» Dieser Beitrag wurde im April 2018 im Newsletter der Arbeitsgruppe Leitungen der Institutionen für weibliche Jugendliche LIwJ publiziert.

» Information zum Projekt

Literatur

Diese ersten Ergebnisse dieser femNAT-cd-Studie stimmen mit früheren Ergebnissen überein, z.B. Zoccolillo, M. (1993): Gender and the development of conduct disorder. Development and Psychopathology, 5: 65-78.

Sigrid James (2017). Implementing evidence-based practice in residential care: How far have we come. Residental Treatment for children and youth, 34, 155-175.