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Was tun Familienplatzierungsorganisationen?

Interpellation 18.3450 Mit dem Kindswohl Kasse machen...

In der Sommersession 2018 hat Frau Nationalrätin Steinemann eine Interpellation an den Bundesrat mit Fragen zur Tätigkeit von Familienplatzierungsorganisationen (FPO), auch Dienstleistungsangebote in der Familienpflege (DAF) genannt, eingereicht. Integras hat kurz darauf auf diese Fragen in einem Brief an Frau Nationalrätin Steinemann Bezug genommen und Frau Steinemann dazu eingeladen, eine FPO zu besuchen. Am 22. August 2018 hat der Bundesrat die Interpellation beantwortet. Lesen Sie mehr dazu!

Antwort und Positionen von Integras

Gesetzliche Grundlage für FPO

Familienplatzierungsorganisationen (FPO) sind gemäss PAVO (Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern) Abschnitt 4a Dienstleistungsangebote in der Familienpflege (DAF). (DAF und FPO werden im weiteren Text synonym verwendet). FPO sind Organisationen, die unterschiedliche Dienstleistungen in der Familienplatzierung anbieten und diese im Auftrag von zuweisenden Stellen (Sozialdienste, KESB, Jugendanwaltschaften) ausführen. DAF sind nur in der Deutschschweiz tätig. In der Suisse Latine werden diese Aufgaben direkt von den Kantonen übernommen.

Welche Dienstleistungen führt eine FPO aus?

FPO übernehmen folgende Aufgaben:

  • Sorgsame Gewinnung von Pflegefamilien inklusive Eignungsabklärung
  • Vermittlung von unterschiedlichen Platzierungen von Pflegekindern (Dauerplatzierungen, Kurzplatzierungen wie Time-Out, Notfallplatzierung, Abklärung, Wochenend- und Ferienplatzierung)
  • Einführungskurse für Pflegefamilien
  • Sozialpädagogische Begleitung des Pflegeverhältnisses
  • Gestaltung der Kontakte des Pflegekindes zur Herkunftsfamilie
  • Weiterbildung für Pflegefamilien
  • Angebote für Pflegekinder

DAF investieren sehr viel Zeit und qualitativen Aufwand, um geeignete Pflegefamilien zu gewinnen – von 10 interessierten Pflegefamilien kommen in der Regel unter 30% wirklich in Frage. Pflegefamilien benötigen eine Vorbereitung auf ihre Aufgaben und im Anschluss regelmässige fachliche Unterstützung und Beaufsichtigung durch die DAF. Dies um ein gelingendes Pflegeverhältnis herzustellen, um die Entwicklung des Kindes zu dokumentieren und um bei drohenden oder bereits eingetretenen Krisen rasch eingreifen zu können.

Die laufende Begleitung eines Pflegeverhältnisses durch Fachpersonen ist notwendig, um die Pflegeeltern in ihrer fordernden Tätigkeit einerseits zu entlasten und zu unterstützen, aber auch zu beaufsichtigen. Zudem belegen wissenschaftliche Studien, dass eine Familienplatzierung insbesondere dann erfolgreich ist, wenn die Pflegefamilie gut auf die Aufgabe vorbereitet wurde und das Pflegeverhältnis sorgfältig begleitet wird. FPO üben somit einen wesentlichen Einfluss auf die sichere und entwicklungsfördernde Unterbringung fremdplatzierter Kinder und Jugendlicher in Pflegefamilien aus.

Integras fordert deshalb: kein Pflegeverhältnis ohne Begleitung! - Im Übrigen entspricht dies auch den Bemerkungen des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes. Dieser empfiehlt, dass Pflegefamilien in Erziehungsfragen systematisch geschult und unterstützt werden (siehe Schlussbemerkungen zum zweiten, dritten und vierten Staatenbericht der Schweiz (2015), Abs. E, 49 (d)).

Beaufsichtigung und Qualifizierung der FPO

In der PAVO Abschnitt 4a, Art. 20a bis f sind die rechtlichen Grundlagen für DAF festgelegt. FPO haben eine Meldepflicht, aber keine Bewilligungspflicht gegenüber dem Kanton, dem Kanton obliegt die Aufsichtspflicht. Einige, aber bei weitem nicht alle Kantone haben weiterführende, qualitative Aufsichtskriterien für FPO eingeführt.

DAF übernehmen Aufgaben des Staates in einem sehr sensiblen Bereich des Kindesschutzes. Darum ist es notwendig hohe Qualitätsstandards zu setzen. Aus diesem Grund hat Integras das Label FPO erarbeitet. Nicht alle DAF sind mit dem Integras Label FPO zertifiziert. Die Kantone haben teilweise ihrerseits unterschiedliche Aufsichtskriterien entwickelt, die sich am Integras Label FPO orientieren, dieses jedoch nicht voll erfüllen.

Integras vertritt den Standpunkt, dass FPO/ DAF wie die Heime bewilligungspflichtig sein sollten und einer vergleichbaren qualitativen Aufsicht unterstehen sollten.

Tarife von FPO und Entschädigungen für Pflegefamilien

Insgesamt leisten DAF eine sehr wertvolle Aufgabe für den Staat im Kindesschutz. Ansonsten müsste der Staat diese Aufgaben vollumfänglich selber zur Verfügung stellen. Es ist jedoch auch notwendig, dass der Staat diese Aufgabe mit der nötigen Sorgfalt delegiert und beaufsichtigt. Die Tarife der DAF sind unterschiedlich; sie müssen allerdings transparent und nachvollziehbar sein. In der Meldung an die Kantone müssen gemäss PAVO detaillierte Angaben zu den Tarifen für die angebotenen Dienstleistungen gemacht werden (vgl. Art. 20b).

Betreffend Entschädigungen für Pflegefamilien besteht in der Tat noch Handlungsbedarf. Die IAGJ (Internationale Gemeinschaft für Jugendfragen) fordert faire und transparente Entgeltung der Pflegefamilien: «Entgeltregimes für Pflegepersonen variieren nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Nationalstaaten und verschiedenen Regionen sowie Versorgungsgebieten ausserordentlich stark. Teilweise weichen nicht nur die absoluten Beträge, sondern auch ihre Berechnungsgrundlagen erheblich voneinander ab. Noch immer gibt es Versorgungsregionen, in denen Pflegepersonen nur einen Ausgleich für Aufwendungen wie Unterkunft und Ernährung erhalten – aber keine Vergütung für ihre Betreuungsleistungen. Dies steht im krassen Widerspruch dazu, dass Familienpflege eine unverzichtbare Säule öffentlich verantworteter Erziehung ist. Der Anspruch auf ein angemessenes Pflegegeld ist zudem im Artikel 294 des ZGB festgehalten.» Dieser Forderung schliesst sich Integras an.

Anzahl platzierter Kinder

Bis heute können schweizweit keine Aussagen darüber getroffen werden, wie viele Kinder fremdplatziert sind und wie diese platziert sind. Die Zahlen dazu existieren nur in den Kantonen, sie werden aber unterschiedlich erfasst.

Integras fordert, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, damit eine schweizweite Statistik zu fremdplatzierten Kindern erstellt wird.

Die Antwort des Bundesrats auf die Interpellation

Der Bundesrat hat am 22.08.2018 Stellung dazu genommen. Er weist in seiner Antwort darauf hin, dass die Pflegekinderverordnung (PAVO) lediglich den Rahmen vorgibt und die Kantone Bestimmungen erlassen dürfen, die über diese Vorgaben hinaus gehen. Der Vollzug des Kindesschutzes liege jedoch ausschliesslich in der Kompetenz der Kantone. Da die Dienste von FPO über die Vermittlung von Pflegeplätzen hinaus gehen, und beispielsweise auch  sozialpädagogische Beratung und Begleitung umfassen, könne eine monatliche Entschädigung gerechtfertigt sein.

Der Bundesrat weist des weiteren darauf hin, dass einige Kantone eine Bewilligungspflicht für FPO eingeführt haben. Gemäss Angaben der Schweizerischen Konferenz der Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) sind dies die Kantone Bern, Graubünden, Schwyz, Solothurn und Zug, während der Kanton Wallis nur eine einzige Organisation als FPO zulässt.

» Zur Stellungnahme von Integras auf die Interpellation

» Zur Interpellation 18.3450 und Antwort des Bundesrats

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