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#ungefiltert

#ungefiltert

 
Hier teilen Kinder und Jugendliche ihre Gedanken mit uns und lassen uns an ihren Freuden und Sorgen, ihrer Sicht der Welt und vielem mehr teilhaben. Ungefiltert.  
 

Diesmal kommt der 14-jährige Théo zu Wort. Er wohnt im sonderpädagogischen Zentrum «Cité Printemps» und hat am 13. September 2022 vor dem Grossen Rat des Kantons Wallis seinen beeindruckenden Text vorgelesen.

 

Mein Name ist Théo. Ich bin 14 Jahre alt und besuche aktuell das letzte obligatorische Schuljahr. Vor fünf Jahren bin ich in eine Institution eingetreten, seit zwei Jahren wohne ich im «Cité Printemps» und schliesse meine Schulzeit in der Sekundarstufe des Don Bosco ab. Meine Primarschulzeit habe ich in der «Ste-Agnès- Schule» verbracht. Dies nachdem meine Psychologin anlässlich einer Abklärung festgestellt hat, dass ich eine Autismusspektrumstörung (ASS) habe.

Der Beginn am neuen Ort war sehr schwierig, da ich es nicht gewohnt war, ohne meine Familie zu leben. Insbesondere fehlten mir meine Eltern. Ich habe dann aber bald viele Leute kennengelernt, Erzieher*innen wie auch andere Jugendliche und habe mich in diesem mir bis dahin unbekannten Umfeld gut einleben können.

Früher dachte ich, dass mit einer «Institution» ein Haus bezeichnet wird, in das man böse Jugendliche steckt, wenn sie Dummheiten gemacht haben. Heute weiss ich es besser. Ich habe erlebt, wie angenehm hier das Zusammenleben mit tollen Erwachsenen ist. Sie verstehen unsere Schwierigkeiten und wissen, was in Krisenfällen oder auch wenn wir traurig oder aufgeregt sind, zu tun ist. Ich bewundere diese Leute, ich bewundere sie so sehr, dass ich selber Erzieher werden möchte. Nicht nur, weil ich denke, dass es GENIAL sein muss, im Sozialbereich zu arbeiten, sondern auch, weil ich meine Erzieher*innen würdigen möchte, indem ich andere Menschen all das lehre, was sie mir auf meinem bisherigen Weg beigebracht haben, und ihnen zeige, dass nichts unmöglich ist. Wie mein Lehrer sagt: «Wer tun will, findet einen Weg, wer nichts tun will, findet eine Entschuldigung». Wenn wir, Junge und Erwachsene, auf Prävention, Respekt, Bündnisse, Mediation, Autorität und Zuneigung, Erfolg, Spiel, Sanftheit, Vertrauen, Freude und Präsenz setzen, dann vermeiden wir Probleme. Auch das habe ich von meinem Lehrer gelernt und habe mir gesagt: «Wow».

Jetzt aber zurück zu meinem bisherigen Werdegang: Nach der Primarschulzeit in der «Ste-Agnès- Schule» habe ich ins Don Bosco gewechselt. Da es bei mir zu Hause Probleme gegeben hat, wurde ich im «Cité Printemps» platziert; einem wunderbaren Ort.

Ich möchte betonen, dass ich das Leben in einer Institution als Chance und nicht als schweres Schicksal ansehe. Ich lebe in «Cité Printemps» ein ruhiges, heiteres Leben. Am Morgen frühstücke ich, dann gehe ich zur Schule, wo ich zu Mittag esse. Ich esse auch am Abend in der Schule, während die anderen Kinder ins «Cité Printemps» zurückkehren und dort essen, da sie in der Stadt zur Schule gehen. Nach meinem Schultag kehre ich in meine zweite Familie zurück, ins «Cité Printemps». Jawoll! Es ist nämlich überhaupt nicht so, wie ich früher dachte, als ich meinte, dort müsse es ganz streng zu und her gehen. Mitnichten: Im «Cité Printemps» herrscht eine familiäre Atmosphäre, die Erzieher*innen leben Alltag mit uns. Sie wecken am Morgen die Kleinen, während wir Grösseren alleine aufstehen. Dann essen wir zusammen. Aber vor allem leben wir zusammen. In meiner Gruppe sind die Kinder zwischen 7 und 15 Jahre alt. Ich bin der Älteste der Gruppe. Das Zusammenleben mit kleineren Kindern in der Gruppe gibt einem das Gefühl, in einer Familie zu sein.

Seitdem ich im «Cité Printemps» bin, hat sich die Situation mit meiner Familie verbessert. Wir verbringen kurze Zeiten gemeinsam und geniessen die guten Momente, die wir miteinander haben. Ich bin mit dieser Entwicklung sehr zufrieden. Sie ermöglicht mir auch, mich richtig auf die Schule und meine zukünftigen beruflichen Projekte konzentrieren zu können. 
Dieses Jahr werde ich im Sozialbereich als Fachmann Betreuung Praktika machen. Letztes Jahr habe ich zwei Praktika mit betagten Menschen absolviert, was mir sehr gut gefallen hat. Ich möchte das zu meinem Beruf machen und bin auf der Suche nach einer Vorlehre in diesem Bereich.

So, fertig geredet, jetzt wird wieder gearbeitet, bevor es Zeit wird für den Aperitif… kleiner Scherz… ???? 
 
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Es war mir ein Vergnügen, die Leute zu treffen, die unser Wallis ausmachen und die so zu glänzen wissen wie… ich. Jetzt ist aber Schluss mit den Witzen, ich überlasse meinen Platz jemand anderem!

Auf Wiedersehen!

Théo S.